2022-01-16
In den Fußspuren von Watergate und Günter Walraff, geboostert von Wikileaks und Whitsleblowern und gefördert durch die globale Vernetzung von allem hat sich der Investigativ Journalismus zur Lieblingsdisziplin der journalistischen Elite und vor allem auch deutlich in die Breite entwickelt. Unerschrockene ReporterInnen scheuen keine Mühen und decken auf. Die FahnenträgerInnen der Wahrheit, die letzten RitterInnen der Ehrbarkeit.
Ist das Innovativ? Nein, absolut nicht. Es ist eher das Gegenteil, es ist spießig. Stöckchen für Stöckchen wird eine Geschichte umgedreht, bis sie eine schmutzige Spur bekommt. Und es stimmt, in den meisten Fällen ist die Angelegenheit schmutzig, hatten die AkteureInnen (wie gendert man das?) niedere Motive oder haben sich nicht an die Regeln gehalten. Die mühselige Kleinarbeit der Aufdeckung ist auch ehrenwert und wir brauchen ihre Qualitäten um uns vor schlimmen Ausschlägen der Ehrlosigkeit zu schützen. Und doch hat der Investigativ-Journalismus den Nimbus des Petzens, der Nörgelei, des Neidens und der Sehnsucht nach Lob für das Aufdecken des Fehlers.
Das berührt eine grundsätzliche Frage um die Bedeutung von Ordnung und Regeln. Man kann die Welt von der Ordnung her denken, die als wichtiger Rahmen einer Gesellschaft erhalten werden muss, die einerseits eine gewisse Flexibilität für Freiräume braucht, andererseits Zuverlässigkeit um den Menschen Vertrauen zu geben. Und man kann die Welt von der Regel her denken, die als solche – in der Regel – nun mal klar formuliert ist und deren Verletzung Ahndung verlangt.
Wer von der Ordnung her denkt, ist meist innovationsfreudig, denn Ordnung ist zwar wichtig, braucht aber stets Entwicklung und Veränderung. Investigativ-JournalistInnen denken von der Regel her. Sie sind DetektiveInnen (wie gendert man das?), RätsellöserInnen. Innovation ist in ihren Denkmustern verdächtig. Investigativ-JournalistInnen kleben an der Erfüllung einer Norm und sind weit weg von der journalistischen Königsdisziplin des Berichtens und Reflektierens verschiedener Meinungen, um die Auseinandersetzung und Meinungsbildung in der Gesellschaft zu unterstützen.
Admin - 21:56:18
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