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Die Strategie der Digitalen Transformation: Sieben Wochen, sieben Thesen

Große Themen zerlegt man in kleine Scheiben.

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1. Der Begriff: Transformation bedeutet nicht Fortschritt, sondern Umbau


Transformation verwandelt etwas Vorhandenes in etwas Neues. Das kann ein Produkt sein, ein Unternehmen, ein Geschäftsmodell oder eine Ordnung. Sie geht dabei stets von etwas aus, was bereits existiert und eine konkrete Rolle spielt im Gefüge von Industrie und Gesellschaft und daher nicht eine Zeit lang aus dem Verkehr gezogen werden kann, um es zu erneuern.
Digitale Transformation ist eine Operation am offenen Herzen der Industrie und daher ein vorsichtiger, langsamer Prozess, denn die Industrie muss weiterlaufen, produzieren, im Wettbewerb bestehen und Menschen ernähren und versorgen.
Die frühen freien Felder der Digitalwelt sind längst besetzt von den Pionieren und Glücksrittern, die früh auf die richtige Karte gesetzt haben und sehr reich wurden. Jetzt geht es nicht mehr um Neuland, sondern um altes Kulturland. Das bedeutet Veränderungsschmerzen und das Absichern vorhandener Positionen, wohlkalkulierte Investitionen und Risikoabwägung.
Die Randbedingungen sind oft noch nicht sicher und bevor Unternehmen ihr Schicksal verwetten müssen sie überprüfen, was verlässlich ist, welche Schritte für sie in Frage kommen, zu welchem Zeitpunkt, mit welchen Zielen und mit welchen Partnern. Die Folge ist ein Mikadospiel: wer sich zuerst bewegt hat verloren. Immer wieder gibt es jedoch dabei ein Beben und dann geht es eine Zeitlang ganz schnell.


2. Das Thema: Es gibt genug Technik, es kommt vielmehr darauf an, sie sinnvoll einzusetzen


Die Digitalwelt bietet zahllose Technologien mit fantastischen Werteversprechen. Künstliche Intelligenz, Blockchain, Edge Computing, Augmented Reality, Internet der Dinge, Cloud, 3D Printing, Sensorik und Aktuatorik, 5G, bald 6G, es ist mehr als Unternehmen verdauen können. Hinter jeder der Technologien steht die Klage, die Industrie sei zu träge, sie gemäß den Erwartungen einzusetzen.
Doch die Technologien für sich habe nur einen theoretischen Wert aus dem Labor. Als Innovation sind sie, auch wenn sie viele begeistern, für eine Industrie zunächst eher ein Störfaktor. Ihr Nutzen entsteht erst in der gelebten Praxis und den müssen viele noch beweisen. Dass das so lange dauert, bedeutet: es ist nicht so einfach und auch wohl oft nicht so, wie es sich die Erfinder im Labor einst gedacht haben.
Technologien sinnvoll zu nutzen, in einer Weise, die in einer funktionierenden Wirtschaft ihren Platz findet, die Menschen nützt und die großen Trends der Zeit bedient, den Klimawandel, die globalen Verwerfungen, die alternde Gesellschaft, das ist die eigentliche Kunst, die sehr viel komplexer ist, als die Erfindung neuer Technologien. Und das ist die Transformation vor wir stehen in einer Gesellschaft, die sich angesichts der Möglichkeiten und Herausforderungen neu sortieren muss.


3. Das Umfeld: Transformation findet immer im Kontext statt


Das Prinzip der Transformation ist, aus einem funktionierenden Organismus, in dem Fall eher einem Geschäftsmodell, einen Neuen zu machen. Das Ausgangsmodell wie das Ergebnis sind nur in einem geschäftlichen Kontext erfolgreich, an den sie andocken können, mit Lieferbeziehungen und Partnerschaften und einer langfristigen Perspektive. Während neue Technologien sich zunächst nur im Laborbetrieb bewähren müssen, geht es für Unternehmen um das tägliche Geschäft mit ihrem betrieblichen Umfeld. Dessen eigene Transformationsgeschwindigkeit können Unternehmen nur bedingt beeinflussen und die Veränderung setzt die Beziehung jedenfalls unter Spannung, die allerdings nicht überlastet werden darf, denn dann reißt sie.
Unternehmen sind dabei entweder selbst Treiber oder sie sind getriebene, oft beides zugleich. Die richtige Geschwindigkeit und die richtigen Schwerpunkte zu finden die richtigen Partner und die richtigen Zielgruppen, ist die Kernaufgabe für Unternehmer.


4. Die Randbedingungen: Digitale Transformation findet stets in der Vernetzung statt


Die Interaktion mit dem betrieblichen Kontext läuft über Vernetzung. Lieferketten, Wertschöpfungsketten, Wissensaustausch, Partnerschaften, Nachvollziehbarkeit, Compliance, sind alles Handlungsfelder verknüpfter Datenflüsse und Prozesse mit jeweils vielen Beteiligten. Das kann kein Unternehmen allein bewerkstelligen, sondern das bedarf einer übergeordneten Organisation, die wiederum eine eigene Ordnung braucht. Diese Ordnung stellt wiederum einen Machtfaktor dar, den viele Unternehmen auch zurecht als Bedrohung sehen.
Hier setzen sich entweder Monopolisten durch, oder es bilden sich Konsortien, gesteuert durch Branchenverbände, oder der Staat greift ein und stellt ordnende Strukturen.
Es dauert einige Zeit bis derartige Strukturen entstehen, denen die Beteiligten auch Vertrauen. Denn sie wissen, es geht um ihre Zukunft, wenn sie ihre Strategien und Investitionen darauf ausrichten.


5. Das Ergebnis: Digitale Transformation hat kein Ziel und muss dennoch vom Ende her gedacht werden und in kleinen Schritten vollzogen


Agilität bedeutet, in kleinen Schritten von einem stabilen Zustand in einen nächsten zu kommen und von da aus wieder in einen nächsten und so weiter. Agilität bedeutet dabei nicht, sich treiben zu lassen. Es bedeutet vielmehr, diese Stabilität immer wieder zu erreichen und zudem im Gesamtzusammenhang einigermaßen zu wissen, wo hin man eigentlich will.
Digitale Transformation kennt keinen Endzustand und hat kein konkretes Ziel, sie ist eher ein Phänomen, das geschieht. Weil die Möglichkeiten da sind, weil die Herausforderungen da sind und weil der Wettbewerb drängt. Es gilt daher für die einzelnen Beteiligten, sich Ziele zu überlegen und Wege, die dorthin führen, wohl wissend, dass sich die Ziele unterwegs verschieben können, da sich ja auch das Umfeld transformiert. Die Ziele sind dennoch wichtig um das eigene Handeln einordnen zu können und um lernen zu können.
Die Schritte sollten dabei immer nur so groß sein, dass sie eine spürbare Veränderung bewirken, dabei aber die Organisation nicht überfordern. Dann ist die Möglichkeit, zu Lernen am besten.


6. Die Perspektive: Erfolgreiche Transformation definiert sich aus der Perspektive der Kunden


Ebenso wie Technologien kein Selbstzweck sind, ist es auch Transformation nicht. Deren Mehrwert entsteht erst dann, wen für die eigenen Kunden ein Mehrwert entsteht.
So verführerisch mancher Veränderungsschritt sein mag, was aus Kundenperspektive nicht attraktiv ist, hat keine Praxisrelevanz, sondern ist Laborbetrieb. Das mag für Studien gut sein aber ist es noch nicht für den kommerziellen Einsatz. Der Dialog mit Kunden, das Verständnis von deren eigener Veränderung und Herausforderung, das Verständnis von deren Erwartung und deren Einschätzung von einem selbst als Anbieter sind entscheidend für Erfolg oder Misserfolg einer Investition. Das ist ein heikles Spiel von Führung und Folgen gegenüber den Kunden das in den Unternehmen in der Regel für Spannung sorgt, denn der Vertrieb hat meist andere Vorstellung als die Strategie oder die Technik und Recht haben nur alle gemeinsam, nachdem sie erfolgreich um Kompromisse gerungen haben.


7. Der Kern: Transformation bedeutet, die eigene Kernkompetenz neu zu interpretieren


Transformation bedeutet in der Praxis in den meisten Fällen erst einmal Träumerei. Unternehmen träumen von fetten neuen grünen Wiesen, die sie erschließen können mit neuen Services und Produkten, investieren in großartige Ideen und stellen nach einige Jahren fest, dass das außer ihnen und einigen sensationshungrigen Journalisten niemanden interessiert.
Diese Unternehmen verfallen in Fortschrittsträume mit neuen Technologien und vergessen den Kontext, die Vernetzung, das Denken vom Ende, das Denken vom Kunden.
Transformation ist erfolgreich, wenn andere ihr Vertrauen - und andere Vertrauen gerade in Zeitendes Wandels selten in wilde neue Ideen, sondern in Kernkompetenzen von Unternehmen. Erfolgreiche Transformation interpretiert daher die eigene Kernkompetenz neu in einem abgewandelten Kontext. Sie reduziert eher und ihre Protagonisten verbünden sich mit anderen vertrauenswürdigen Partnern, als dass sie Dinge erschaffen, die sie nicht wirklich beherrschen.