2024-09-23
Vorgestern lief ich über das frisch eröffnete Oktoberfest und fand mich wie erwartet in einem Trachtenmeer. Auch heute laufen morgens Dirndl und Lederhosen zur S-Bahn um sich nach einem verkürzten Bürotag ins Getümmel zu stürzen.
Es verändert die Stimmung. Eine schlichte Fröhlichkeit liegt dahinter, ein Gefühl von Geborgenheit.
Es ist denke ich wirklich so: Trachten (und Uniformen übrigens auch) machen das Leben leichter. Sie vermitteln Zugehörigkeit, die Menschen haben ihr Zuhause, ihren Platz, ihre Rolle, die Ordnung stimmt verlässlich und schafft Raum für Ausgelassenheit.
Das ist etwas schönes und gleichzeitig bedenklich, denn es enthält auch etwas unterwürfiges, was einige stört.
Doch ist das wirklich bedenklich? Der gesellschaftliche Zerfall, den wir überall beklagen, leidet ja gerade am Verlust so einer Form von Ordnung. Daran, das jeder nur noch sich selbst optimiert und das
gemeinschaftliche Anerkennen und Verzeihen in Vergessenheit geraten.
Es macht also schon Sinn, wieder Formen der Gemeinschaft zu suchen, solange die nicht rückwärts, sondern vorwärts schauen und das Grundprinzip der Anerkennung nicht einschränken.
Es fällt übrigens auf, dass Männer sich anders verhalten als Frauen. Während Männer sehr darauf bedacht sind, alles richtig zu machen bei der Tracht, sind Frauen eindeutig experimentierfreudiger. Das mag mit dem starken Potenzial zur Erotik des Dirndls zusammenhängen, ich glaube eher, es ist ein Freiheitsdrang, der das gegebene Nutzt und damit spielt und Möglichkeiten auslotet.
Ein interessantes Phänomen, das gleichzeitig irritiert wie fasziniert. Gemeinschaftsbildung im offenen Raum, Grenzen setzen und öffnen zugleich. Und alles ohne Technik, (außer dass natürlich auch die meisten Dirndl und Leberhosen Stöpsel im Ohr haben).
Damit ist die Tracht, trotz aller Tradition, eindeutig auch innovativ und wir sollten sie vielleicht ernster nehmen, als wir es tun.
Admin - 08:47:40
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