2024-03-03
Ein Problem der Digitalisierung ist der zunehmende Verlust von Verantwortung. Der Eindruck einer ständig verfügbaren, funktionierenden, einfachen Welt, die jedem das Leben leicht macht, täuscht darüber hinweg, dass der ganz komplexe Apparat nicht vom Himmel gefallen ist, sondern gebaut, betrieben, gepflegt, und bewahrt werden muss. Und das nicht nur technisch, sondern auch ökonomisch, kulturell und gesellschaftlich.
Und dass der Apparat ein komplexes Gebilde innerhalb einer vielschichtigen, interessengeleiteten Gesellschaft ist, die in der Mehrheit nach dem eigenen Vorteil handelt und entscheidet. Sei es als Person, als Gruppe oder als Unternehmen oder Land.
All das verschwindet hinter dem bunten Bildschirm des Smartphones oder Tablets und verwandelt sich in einen Anspruch auf Verfügbarkeit, Einfachheit und geringe Kosten.
Kürzlich saß ich mit deutschen Intensivmediziener und einem kanadischen Lebensmittelproduzenten zusammen und beide erzählten mir die gleiche Geschichte: Sie finden keine Mitarbeiter mehr, die bereit sind Verantwortung zu übernehmen. Die Leute wollen Dienst nach Vorschrift und klare Grenzen. Ich fand das erschreckend, denn die Konsequenzen daraus sind erheblich. Eine streng geregelte Welt kann nur mit großen Anstrengungen eine durch Verantwortung und Risikonahme der Einzelnen getragene Welt ersetzen, zudem ist sie verletzlich und unflexibel. Wir beschweren uns ja jetzt schon über die Überregulierung, doch dieser Trend würde das ganze noch um ein Vielfaches steigern.
Es ist eine große Aufgabe, sich dem zu stellen. Innovativ ist es nicht unbedingt, obwohl … doch, ist es. Es ist eine Neuinterpretation der Idee von Fortschritt, weg vom „einfacher, billiger, sicherer“ hin zum „lebensfähig, lebensfreundlich, robust“. Das ist sehr wohl innovativ.
Admin - 20:27:35
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