2022-11-06

Das Anthropische Prinzip - oder: Das Wir

Unser Universum ist, wie es ist, weil wir sonst nicht da wären, um es zu beobachten. Ich liebe dieses Prinzip, weil es so deutlich macht, wie wir uns gerne täuschen. Das Prinzip ist tiefste philosophische Erkenntnistheorie. In der Alltagssprache ist es passend übersetzt mit wer einen Hammer hat, für den ist alles auf der Welt ein Nagel.

Etwas weniger universell formuliert sagt das Prinzip: Etwas ist, wie es ist, weil Menschen da sind, die Erfolg haben wollen. Das Anthropische Prinzip ist komplett egozentrisch. Ich sehe die Welt, so wie ich sie sehe, also ist sie so. Facebook sieht den Sinn der Welt darin, den Facebook Aktienwert zu steigern und investiert daher in Dinge, die unserer Gesellschaft schaden. Sie tun Dinge, weil sie da sind und ihren Status erhalten wollen. Weil sie die Ordnung erhalten wollen, die ihren Status gewährleistet.
Das ehrliche am anthropischen Prinzip ist, dass es sagt, die Welt ist so, weil wir sind, wie wir sind. Die Folge ist: wenn wir die Welt ändern wollten, müssten wir uns ändern. Wir, nicht die anderen.

Das bildet einen Brückenschlag zur Kultur: Das „Wir“ zu ändern, geht nur über Kultur, denn Kultur ist das „Wir“-bildende in einer Gesellschaft.

Wir haben Jahrzehnte damit verbracht, mit technischen Innovationen die Welt zu beherrschen und wir haben sie an den Rand des Grabens damit gebracht. Die wichtigen Innovationen der nächsten Zeit werden nicht technisch sein, sondern kulturell, wer schafft es, die Menschen zusammenzuhalten, um die Probleme in den Griff zu bekommen. Die einen hoffen auf Autokraten, die endlich mal was entscheiden können, die anderen zählen auf Demokraten, die ihre Entscheidungen dem Wettbewerb aussetzen. Mit Vollgas in den Graben oder mit Vorsicht zu kurz gesprungen?

Die Autokratiefreunde haben schon lange auf Kulturkampf geschaltet. Die Demokraten streiten verbissen um Randthemen der Gerechtigkeit. Ich bin dennoch bei den Demokraten und kämpfe für deren Innovationsfähigeit. Innovativ sein heißt, Fehler machen können und an alle denken. Wenn wir das wieder lernen, als Demokraten, dann werden wir es schaffen. Der Kulturkampf der Demokraten, zusammenrücken, als ‘Wir’, um gegen Autokraten zu gewinnen, das wird interessant.