2021-10-24
Heute mal ein Aufruf zur Versöhnung – in heutigen Zeiten vielleicht besonders innovativ.
Alle hassen die Querdenker, sie reden wirres Zeug und beziehen sich auf noch wirrere Quellen, sie stören und bremsen den Fortschritt und nehmen uns durch ihre Querulanz die Freiheit, da sie das Beenden der Pandemie blockieren.
Aber wieso fragen wir uns nicht einmal, wieso es die Querdenker eigentlich gibt?
Wieso stellen wir uns nicht dem Faktischen und nehmen das Faktum an: die Querdenker sind entstanden, und das hatte einen Grund. Das ignorieren wir gerne. Wir wollen sie lieber verachten und allenfalls missionieren.
Die Querdenker reden Unsinn und nerven, das ist richtig. Sie bewegen sich immer weiter in eine Blase der Querulanz, aus der sie nicht mehr hinausfinden. Es ist längst ein Kriegszustand, der ohne Gesichtsverlust kaum mehr zu beenden ist.
Der Demokrat würde den Dialog suchen, um aus dem Konflikt einen Meinungsaustausch zu machen, gegenseitige Anerkennung suchen und damit eine Basis, auf der man wieder zusammenfindet. Doch das tun wir nicht. Einerseits, weil es anstrengend ist, das war schon bei den militanten Tierschützern immer so schrecklich, andererseits, weil wir sie für verloren halten für das Richtige.
Wir sind, vermutlich geschädigt durch Corona, selbst in eine Trotzhaltung geraten, dass alles richtig sein muss, was wir uns auferlegt haben. Anders hätten wir das vermutlich auch gar nicht ausgehalten. Aber wir haben uns dabei auch wirklich zum guten Teil einem Einheitsdenken unterworfen, auch einfach, weil Zweifeln uns nichts genützt hätte. Und jetzt, indem wir die Existenzberechtigung der Querdenker leugnen, sind wir auf einmal auf demselben faktenfreien Grund unterwegs wie die Querdenker selbst.
Denn bei aller Quacksalberei haben die Querdenker immer gemahnt, dass man auch anders denken kann. Und das ist die Voraussetzung von Innovation. Das hat schon Rosa Luxemburg gesagt und sie hatte Recht. Entscheidungen fällen können ist das eine, das haben wir getan und das war wichtig. Negative Folgen anzuerkennen und Dinge später dann auch zu korrigieren, das ist eine Art von Größe, die wir in einer nach Perfektionismus heischenden Welt verloren haben.
Wir sollten den Querdenkern daher auch ein Stück dankbar sein, oder zumindest anerkennen, dass sie eine ehrenhafte Rolle übernommen haben in einer Phase der extremen geistigen Verengung. Das wäre auch ein gutes Zeichen für eine Versöhnung, wir sind ja Demokraten. Und tatsächlich ist es der einzige Weg, um aus dem immer schmerzhafteren Lagerkampf herauszukommen.
Admin - 20:48:29
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