2021-04-04
Wie kann ich messen, ob jemand verrückt ist? Diese Frage treibt Wissenschaftler seit Jahrzenten herum und sie hoffen nun mit Genomanalyse und künstlicher Intelligenz endlich den Durchbruch zu erlangen. Man muss den Menschen nur genau genug vermessen und einen groß genugen Datensatz der Normalität haben, dann kann man endlich erkennen, welcher Mensch verbessert werden muss und welcher nicht. Idealerweise geschieht diese Verbesserung dann auch auf chemischer Basis, also mittels Medikament, da eine Therapie, die durch Menschen stattfindet, mit mühsamer Übung der Patienten verbunden ist, teuer ist und qualitativ schwankt.
Erinnert das an dunkle Kapitel der Geschichte? Es ist ein gruseliges Bild des Menschen und der Menschenwürde.
Es mag ja sein, dass sich viele Menschen besser fühlen, wenn sie eine passende Pille bekommen. Nichts dagegen zu sagen. Doch ein Parameterkatalog der Normalität, noch dazu verfasst von einer künstlichen Intelligenz, das ist aus drei Gründen falsch. Erstens ist die Idee einer messbaren Normalität ein menschenverachtender Gedanke, zweitens übersieht das Konzept, dass das Wesen einer Person aus viel mehr besteht als aus ihrer biologischen Basis. Es besteht aus ihren Erfahrungen, ihrem Lebenskontext, dem Wertesystem ihrer Umgebung, ihrem Werdegang. Drittens verlangt die Welt nach einer ständigen Veränderung der Normalität, das ist das Lebens- und Evolutionsprinzip.
Es geht in einer Gesellschaft auch nicht darum, einzelne für verrückt oder normal zu erklären, es geht darum, als Gesellschaft in all ihrer Vielfalt und Unvollständigkeit zusammenzuleben.
Die Idee befindet sich zweifellos auf dem traurigen Pfad vom Kulturtier zum Nutztier und sie ist daher nicht innovativ, sondern destruktiv.
Admin - 20:18:33
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