2024-08-06
Wer sich heute im öffentlichen Meinungsverkehr umsieht, stößt fast immer entweder auf aktive Selbstvermarktung oder auf Klagen.
Klagen waren schon immer ein Teil der Kommunikation. „Die Klage ist das Lied des Kaufmanns“ ist nur einer von vielen Sprüchen dazu. Tatsächlich ist die Klage etwas sehr raffiniertes. Es ist das Abgeben von Verantwortung an „die Gesellschaft“ oder wen auch immer, Verbunden mit der Betonung der eigenen Rechtschaffenheit und Hilflosigkeit.
Klagen ist das Buhlen um Aufmerksamkeit auf negative Art. Es ist keine Erzählung, die überzeugt, es ist eine Un-Erzählung, die etwas plakativ in den Raum stellt und es anderen überlässt, nachzuprüfen, ob es stimmt. Kläger sind eigentlich unsympathisch, weil sie negativ sind.
Nun ist aber inzwischen Aufmerksamkeit eine wichtige Währung geworden und um die zu erhalten, ist jedes Mittel recht. Die Klage ist immer das einfachere Mittel, da sie die tatsächliche Überzeugung deligiert und vorerst mit einer Behauptung ersetzt. Die Schnelligkeit und Gleichgültigkeit der Medien, die aufgreifen, was sich verkauft, beschleunigen den Effekt. Davon profitiert der Populismus, der ja nichts anderes ist, als eine umfassende Klage und ein Kulturelles System zersetzt.
Die Klage ist Profiteur der kommunikativen Innovation. Ein ungesteuerter Transformationseffekt, den wir irgendwie einfangen müssen. Das schlechte Image der Klage war eine Art Gesellschaftliches Immunsystem gegen die Zersetzung durch die Klage. Sinn war, Klagen schwer zu machen, um nur wirklich berechtigten Klagen dann auch die angemessene Aufmerksamkeit zu widmen. Wenn die Klage jetzt überhandnimmt, entwickeln wir irgendwann entweder eine Klageallergie oder eine Totalabwehr. Beides ist gefährlich.
Admin - 20:49:59
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