2022-05-14
Das Verständnis, was Kultur denn ist, ist sehr vielfältig. Während die einen Kultur mit „Kulturschaffenden“ verbinden, denken andere an Dinge wie „Esskultur“ und dritte an Agrikultur – den Ackerbau, der vierte an Bakterienkulturen. Nichts davon wird dem Begriff gerecht. Schopenhauer versteht Kultur als den Sammelbegriff für alle Erscheinungsformen menschlichen Daseins, die auf Wertvorstellungen und erlerntem Verhalten beruhen und wiederum Werte erzeugen - als Abgrenzung zur Natur. Diese Definition gefällt mir. Zumindest solange wir Kultur auf Menschen beziehen, bei Bakterien und Ameisen ist es aber vergleichbar, übertragen auf deren Lebensrealität.
Kultur befasst sich mit Werten und dem gesellschaftlichen Lernen um diese Werte. Kultur ist das, was Menschen in einer Gesellschaft jenseits der natürlichen Überlebensfunktionen verbindet. Kultur ist die Grundlage des menschlichen Erfolges und das Mittel, diesen Erfolg zu entwickeln, zu steuern oder auch zu zerstören. Kultur schafft Recht, Glaube, Geld, Musik, Schrift, Moral, Strickanleitungen, Zeugnisse, Zahlen, Verbrecher, Autos, Schulen, Technik, Ackerbau, Pornofilme, Schweinezucht, … es ließe sich endlos fortsetzen.
Kultur wird gerne mit Kunst verwechselt, weil Kunst und Kultur oft in einem Atemzug genannt werden, aber nicht umsonst gibt es das ‚und‘ dazwischen. Kunst befasst sich mit Kultur und mit dem Anspruch, Kultur zu verändern. Kunst ist die Vorhut der Innovation, die aus einem freien, kritischen Geist heraus zeigt, dass es auch anders geht. Erst wenn Kunst ankommt, wenn aus Kunst gelerntes Verhalten wird, wird Kunst zur Kultur. Und Künstler sind nicht nur Maler, Rockstars und Schriftsteller, Künstler sind alle, die mit innovativem Geist an der Entwicklung der Gesellschaft arbeiten, als Ingenieur, als Politiker, als Unternehmer, als Vereinsmenschen, als Freunde, die sich mit Ideen auseinandersetzen, die über die eigene Unterhaltung und Optimierung hinausgehen. Künstler sind die, die nicht nur verwalten, sondern gestalten. Und dabei das Risiko eingehen, sich Gegner zu machen.
Bei beiden, bei Kunst wie Kultur, kommt es darauf an, zu verstehen, wie die Dinge sich verhalten, an sich und im Zusammenhang, und im Umgang damit geübt zu sein. Die Innovation der Kultur, die die Kultur immer braucht, zu pflegen, das ist ein hoher Anspruch und der lässt sich nicht automatisieren, sondern nur kultivieren.
Wann man nun auf die Erfolgsmodelle von Bakterienkulturen und Ameisenkulturen schaut, könnte man meinen, es gibt für jede Art eine optimale Kultur. Und das ist tatsächlich nicht ganz falsch. Nur ist es so, dass die enorme Stabilität der Kulturen von Ameisen und Bakterien schon auch mit der Stabilität der Randbedingungen verknüpft ist, in der sie leben und zwar sehr bescheiden. So bescheiden, dass sie nahezu alles aushalten. Die Menschen haben ein gegenteiliges Prinzip. Nicht stabil, sondern flexibel und völlig unbescheiden. Die Anpassungsfähigkeit der Menschen und ihre Fähigkeit, ständig etwas Neues zu erfinden, das ist ihre optimierte Kompetenz. Der Mensch ist nur durch die permanente Entwicklung der eigenen Kultur erfolgreich. Als Innovations-Junkie … und damit wären wir wieder beim Thema
Admin - 22:17:46 | Kommentar hinzufügen
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