2024-03-10

Sicherheit

Joschka Fischer sagt dieses Wochenende im Interview mit der Zeit, die aktive Generation werde sich in den kommenden zwei Jahrzehnten nicht wie ihre Vorgänger mit Markt und Wohlstandsgewinnen zu befassen haben, sondern mit Sicherheit.
So bitter diese Erkenntnis ist, hat sie dennoch das Potenzial, uns aus einer Sackgasse herauszuholen, in die wir uns mit dem Glauben an eine perfekte Welt haben. Fortschritt war verbunden mit Bequemlichkeit und der Abgabe von Risiko und Verantwortung. Eine Schlaraffenlandphantasie, die uns zu ansprüchlichen, selbstgerechten und allzu empörungsfreudigen sozialen Monstern gemacht hat. Die Folge: Absurde soziale Spaltung um Themen, die weit fern unserer gesellschaftlichen Belastungsgrenzen liegen.

Genau diese Schwäche ist es auch, die andere ausnützen wollen, um die Überlegenheit der westlichen Demokratie in Frage zu stellen. Und wenn eine Krise bewirkt, dass wir uns wieder mehr damit befassen, was uns zusammenhält, als damit, was uns trennt, ist es immerhin ein guter Aspekt der Krise. Dafür sollten wir also all den Schurken, derentwegen wir jetzt wieder mehr über Sicherheit nachdenken, dankbar sein.

Und dieser Dankbarkeit sollten wir so Ausdruck verleihen, dass wir jetzt auch kein „wir gegen die“ daraus machen, sondern ein diplomatisch konstruktives Modell der Auseinandersetzung, in einer Welt, die konkurriert, mit Systemen, und Glaubensvorstellungen. In der wir auch Bündnisse schließen müssen mit Partnern, die wir nicht so mögen, weil es nun einmal in der Gesamtlage Sinn macht. In der wir Risiken benennen und eingehen, aber auch bereit sind den Preis zu zahlen. In der wir Unvollständigkeit akzeptieren, uns selbst gegenüber genauso wie andren gegenüber. Denn die Sicherheit, um die es geht, lässt sich weder kaufen noch gesetzlich festlegen, lässt sich nicht mit Technik erreichen und nicht mit Empörung.

Wir bekommen sie nur mit einer Grundeinigkeit und Großzügigkeit angesichts von Fehlern und Positionen um die wir ringen.
Die eigentliche Innovation wäre dabei Die Erkenntnis, dass es mehr als eine Wahrheit gibt und nicht immer nur wir recht haben. Die ist zwar alt, wird aber immer gerne als allererstes vergessen.

Admin - 21:10:43 | Kommentar hinzufügen