2022-10-09

Wettbewerb

Das einfachste Mittel, um Sieger zu ermitteln. Wer oder Was setzt sich durch? Frag den Markt. Der Wettbewerb ist tatsächlich ein zuverlässiges und oft auch lustvolles Mittel, Veränderung zu gestalten. Doch das macht den Wettbewerb noch lang nicht zum Sieger unter den Gestaltungsmechanismen.
Funktionierte die Welt nur nach Wettbewerb, stünden heute weder Kathedralen in unseren Städten noch hätten wir Literatur oder Musik. Wir wären stattdessen siegeshungrige Horden, die sich täglich Gedanken machten, wie sie andere schlagen können.

Wettbewerb ist geeignet, um unter gegebenen Bedingungen besondere Leistungen zu erbringen. Aber Wettbewerb ist nicht geeignet, die Bedingungen zu ändern. Bedingungen ändern meint: sich auf Regeln und Werte einigen, eine Gesellschaft formen, sich ungelösten Fragen widmen, die zwar zunächst zweckfrei erscheinen, die aber den Geist erweitern, forschen, Ideen entwickeln … .

Für all diese Dinge braucht es etwas anderes als Wettbewerb und das nennt sich Kultur. Kultur ist mehr als singen und tanzen. Kultur ist auch Nachdenken, wie wir unsere Sprache entwickeln, im Konflikt zwischen generischem Maskulinum und Genderstern. Kultur ist, zu erörtern, was wir unter Geld verstehen oder unter Gleichheit. Was Eigentum ist und was gemeinschaftliches Interesse in einer Welt, die mehr denn je darauf angewiesen ist, zu teilen. Zu beschreiben, was das Verbindende ist in unserer Gesellschaft.

Manche sagen, Krieg ist der Vater der Innovation. In der Tat wurden viele Erfindungen aus Kriegsmotiven heraus gemacht. In transformativen Zeiten ist Wettbewerb allerdings mehr ein Testinstrument als ein Gestaltungsmittel. Wettbewerb trennt Parteien, die in schwierigen Zeiten zusammenhalten sollten im finden neuer Lösungswege.
Ein Populist würde jetzt sagen, die Demokratie versagt in der Krise, denn die Demokratie setzt auf Wettbewerb unter den Meinungen. In bin anderer Meinung: Demokraten, wenn sie Demokraten sein wollen, müssen in der Lage sein, sich auf Rahmenbedingungen zu einigen, innerhalb derer sie streiten.

In allen funktionierenden Wettbewerbsstrukturen gibt es ein Grundverständnis, dass es einerseits den Wettbewerb gibt und andererseits vor- und außerwettbewerbliche Grundlagen. Fragen, die von allen gemeinsam geklärt werden müssen, damit es weitergeht. Eine Gemeinschaft, die nicht in der Lage ist, diese außerwettbewerblichen Themen fair zu klären, führt Krieg. Und das ist die Kerbe, in die Populisten schlagen. Sie schüren an der Lust am Krieg, wenn das Lösen der Probleme schwierig wird.

Die Menschheit hatte immer Lust auf Wettbewerb und auch oft Lust auf Krieg. In diesen Zeiten werden Helden geboren und Probleme werden vereinfacht. Wirklich weitergebracht hat die Menschheit aber immer der andere Teil. Das Ringen um die Bedingungen, das Schaffen einer Ordnung, die zur Zeit passt. Wettbewerb ist gut für taktische Innovation. Die großen Innovationen kommen aus der Kultur.

Admin - 21:34:06 | Kommentar hinzufügen

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